Dystonie und sensorische Tricks und Manöver

Hier erfährst Du in aller Kürze etwas zu sensorischen Tricks und Manövern
#Sensorik #Sensorischer Trick #Sensorisches Manöver #Tastsinn #Haut #Haltung #Bewegung #EMG #PET #Symptomlinderung #Symptomnterdrückung
Geste Antagoniste

Dystonie in der Kunst
Das Gemälde zeigt ein Portrait der Gattin des spanischen Malers Santiago Rusiñols, welche wahrscheinlich von einer zervikalen Dystonie betroffen war und sich, um ihren Kopf gerade halten zu können, linksarmig abstützt und zudem ihr Kinn
auf die rechte Hand legt.
#EMG steht für Elektromyographie,
eine medizinische Untersuchungsmethode,
bei der die elektrische Aktivität von
Muskeln gemessen werden kann.

#PET steht Positronen-Emissions-Tomographie, ein spezielles Untersuchungsverfahren der Nuklearmedizin, welches u.a. energetische Zustände im Gehirn zu erfassen und darzustellen vermag.

Wenn Berührungen und Bewegungen
wie von Zauberhand wirken
Zahlreiche Dystoniebetroffene kennen "ihn", jenen sensorischen Trick bzw. jenes sensorisches Manöver - fachsprachlich auch geste antagoniste genannt - der bzw. das ihnen hilft, ihre dystonen Symptome zeitweilig zu unterdrücken.
Die Sensorik, im engeren Sinne, bezieht sich dabei auf die Wahrnehmung und Messung von Reizen über die Sinnesorgane, bei Dystoniebetroffenen insbesondere über den Tastsinn der Haut.
Bei einer "geste antagoniste" handelt es sich um das selbsttätige Setzen von einem gezielten Berührungs- reiz, wodurch sich bestimmte dystone Symptome unterdrückt lassen. Folgende Arten sind geläufig:
- gezieltes Berühren eines Körperteils
- z.B. Kinn, Schläfe, Hinterkopf (...)
- bewusstes An- oder Gegenlehnen
- z.B. Wand, Rückenlehne, Kopfstütze (...)
- Tragen besonderer Bekleidungsstücke
- Schal, Hut, Mütze, Handschuh(e) (...)
- Nutzen besonderer Gegenstände
- Stift zwischen die Zähne, (...)
Allen sensorischen Tricks gleich ist, dass sie dystone Symptome in Form von Fehlbewegungen sowie Fehlhaltungen infolge muskulärer Fehlspannungen sowie ein dystones Zittern vorübergehend zu dämpfen vermögen (vgl. hierzu auch den Videoclip).
Außerdem können sogenannte sensorische Manöver dystone Symptome lindern. Bei ihnen handelt es sich um komplexe Bewegungen bzw. Bewegungsabläufe, wie Gähnen, Gehen, Rennen oder Radfahren.
Sensorische Reize und Manöver sind grundsätzlich individuell. So sind sie von Betroffenen zu Betroffenen in Art und Weise sowie Wirkung einzigartig.
Bei fokalen Dystonien scheinen bestimmte sensorische Tricks jedoch generell zu wirken, etwa bei der zervikaler Dystonie das Berühren des Kinns, der Wange oder des Hinterkopfes. In einigen Fällen lässt Gehen und Laufen dystone Symptome verschwinden.
Die Wirkung der sensorischen Tricks ist medizinisch noch nicht vollständig verstanden. Anfänglich gingen Medizinerinnen und Mediziner davon aus, dass es sich
um eine psychologische Placebohandlung handeln würde. Umfangreiche EMG- (#EMG) sowie PET-Studien (#PET) haben dies mittlerweile widerlegt.
Vielmehr bewirken sensorische Tricks ein Absinken der Aktivitäten im kontralateralen Motorkortex (vgl. hierzu Kapitel "Gehirn", Abschnitt "Dystonie und der Motorkortex"), was wiederum zu einer Abnahme dystoner Fehlspannungen zu führen scheint. (vgl. hierzu auch Vollrath, 2009: Disinhibition im sensorischen System bei Patienten mit zervikaler Dystonie; Dissertation). Der zuvor skizzierte Wirkmechanismus gilt zuvorderst für sog. fokale Dystonien.
Bei den sensorischen Manövern scheint das Gehirn derart mit der Ausführung der jeweiligen komplexen Bewegung bzw. des Bewegungsablaufes beschäftigt zu sein, dass es keine Kapazitäten hat, die dystone Symptome zu produzieren bzw. zu präsentieren.
So oder so: Es scheint, als könnten gezielte Berührungen und Bewegungen sozusagen kleine Wunder bewirken, in dem sie dystone Symptome zumindest zeitweilig zu dämpfen vermögen. Die genauen Wirkmechanismen konnten gleichwohl noch nicht durchdrungen werden.