Bewegung

Dystonie und (Über)Bewegung

Hier erfährst Du etwas über Bewegung unserer Muskulatur auch mit Bezug zu Dystonie.

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Bewegung und Muskeln

Wissenswert!

Die glatte Muskulatur, die bestimmte Organe auskleidet, ist von Dystonie nicht bzw. niemals unmittelbar betroffen. Selbiges gilt für den Herzmuskel.

"Wer sich bewegt,

der bzw. die hat verloren!"


Demgemäß sind Dystoniebetroffene - je nach Art, Form und Ausprägung ihrer Bewegungsstörung - wohl Verlierer:innen auf der ganzen Linie, ist doch gerade ihre neurologische Bewegungsstörung von einem Zuviel an ungewollter Bewegung, also einer Hyperkinesie, gekennzeichnet.


Von dem "Zuviel" an Bewegung ist, um es genauer zu beschreiben, unsere sog. Skelettmuskulatur betroffen, also jene quergestreiften Muskeln, die über eine hirnorganisch gesteuerte An- und Entspannung, vermittels Sehnen, Bändern und Bindegewebe, unser Skelett in Bewegung versetzen und somit  Bewegung möglich machen.


Ein Mensch verfügt grundsätzlich über 656 Skelettmuskeln. Der größte von ihnen ist unser Gesäßmuskel, wohingegen der Steigbügelmuskel im Ohr der kleinste ist. Wie auch immer: Es gibt es "Beuger" und "Strecker". Kommen diese paarig vor, wie der Bizeps und der Trizeps, wird der Eine als "Agonisten" und der Andere als "Antagonisten" bezeichnet. Sogenannte überdies vorkommende "Synergisten" vermögen, je nach Bewegung, einen Beuger oder Strecker zu verstärken.


So oder so, wenn Du von Dystonie betroffen bist, könnte jeder der 656 Skelettmuskeln (siehe Videoclip links, "Muskelsystem des Menschen") von dystonen Symptomen, also einem unwillkürlichen Zittern, Zucken oder Krampfen, betroffenen sein.


Oder anders formuliert: Dystonie hat unzählige muskuläre Möglichkeiten, ihr hyperaktives Unwesen zu treiben! Der "Spielplatz einer Dystonie" verfügt sozusagen über 656 "Spielgeräte". Je nach Art, Form und Ausprägung der Bewegungsstörung bespielt sie  zum Glück jedoch nicht alle ...

Tonus ist nicht gleich Tonus


Spannendes zu Spannungszuständen

unserer Muskulatur


Tonus = Spannung


latinisierte Form vom

altgriechischen τόνος tonos,

deutsch "Spannung"


  • Normale Spannungszustände


  • Schlaftonus, Muskelspannung im Schlaf


  • Ruhetonus, Muskelspannung im Stehen/Sitzen/Liegen


  • Aktionstonus, Muskelspannung in Bewegung


  • Abnormale Spannungszustände


  • Hypotonie, gemindert


  • Hypertonie, gesteigert



  • Dystonie, widernatürlich wechselwirkend

Dystonie und Bewegung

Dystonie ist eine Bewegungsstörung, für die ein Zuviel an Muskelaktivitäten, in Form von Zittern, Zucken und Krampfen, kennzeichnend ist.


Das Leben besteht in der Bewegung.

Aristoteles


Dystonie bewegt. Sie bewegt Betroffene wider Willen. Mal mehr, mal weniger. Bewegung, fachsprachlich Kinesie, ist jede Muskelaktivität, die zu einem höheren Energieverbrauch führt, als in Ruhe.


Funktionell ermöglicht die Skelettmuskulatur unsere Bewegung. Bei ihr handelt es sich um jene grundsätzlich 365 Muskeln, die über Sehnen, Bänder und Bindegewebe am Skelett befestigt sind.


Auf muskulärer Ebene entsteht Bewegung durch eine feine und wechselwirkenden Balance zwischen Beugern und Streckern bzw. zwischen deren jeweils erregten und  und nicht-erregeten Muskelzellen, die in An- und Entspannung von Muskeln mündet.


Bewegung kann reflexhaft, unwillentlich sowie willentlich erfolgen. Dystone Bewegungsstörungen in Form von Zittern, Zucken und Krampfen werden fachsprachlich als "unwillkürliche Bewegungen" bezeichnet, was für "unwillentlich" steht.

Dystonie und (Willkür)Motorik

Dystonie: Wenn sich Muskeln bewegen,

ohne dass sie sich bewegen sollen.

Dystonie: Wenn fehlangespannte Muskeln zu abnormen Körperhaltungen führen.

Dystonie: Wenn unwillkürlich aktive Muskeln

normale Bewegungen verhindern.


Dystonie bewegt.

Wider Willen!


Die Gesamtheit der aktiven Bewegungen eines Menschen, die vom Gehirn aus gesteuerten werden, wird als Motorik bezeichnet. Dabei wird vom Grunde wird zwischen unwillkürlicher und willkürlicher Motorik unterschieden.


Dystonie ist eine Bewegungsstörung, welche die höchstüberwiegend die Willkürmotorik betrifft, also jene Bewegungen unseres Körpers, die wir willentlich, also aktiv ausführen; laufen, greifen, sitzen, den Kopf in Blickrichtung halten etc.


Die Willkürmotorik setzt sich aus drei "Bewegungsformen" zusammen:


  • Erlernte nicht automatisierte Bewegung
  • Erlernte teilautomatisierte Bewegung
  • Erlernte vollautomatisierte Bewegung


Ist die Willkürmotorik eines Menschen gestört, können folgende kaum steuerbare muskuläre Phänomene auftreten:


  • Teilweise oder gänzlich erhöhte mitunter schmerzhafte Anspannung der Skelttmuskulatur


  • Teilweises oder gänzliches Zittern der Skelettmuskulatur

  • Dysfunktionale Körperbewegung, vor allem beim Laufen, Greifen, Hinsetzen, Hinlegen und Aufstehen etc.


  • Abnorme Körperhaltung vor allem im Stehen, Sitzen und oder Liegen


  • Widernatürliche Körperstellungen


Mit Bezug zum Beginn bzw. ersten Auftreten einer Dystonie gelten grundsätzlich folgende Regeln:


  • Bewegungen bzw. Bewegungsabläufe, die vor Beginn einer Bewegungsstörung noch nicht beherrscht wurden, sind hernach nicht oder nur noch schwer bzw. unzureichend erlernbar.


  • Bewegungen bzw. Bewegungsabläufe, die vor Beginn einer Bewegungsstörung erlernt bzw. beherrscht wurden, können nur noch schwer oder schlimmstenfalls nicht mehr abgerufen werden.

Dystonie und Funktionale Bewegung


Jede Bewegung hat ein Ziel.

Gezielte Bewegungen bestimmen unser Leben!


Wer (seine) Dystonie - also seine widernormalen Bewegungen - ein wenig besser verstehen möchte, dem bzw. der bleibt nichts anderes übrig, als sich ein wenig damit zu befassen, wie "menschliche Bewegung" muskulär zustande kommt.


Also, los geht's: In unserem Gehirn sind folgende Bereiche bewegungsrelevant: Die Großhirnrinde und das Großhirn, das Kleinhirn, der Thalamus sowie die Basalganglien  (näheres Rubrik "Gehirn").


Der Mensch kann sich bewegen oder halten bzw. Haltung bewahren, willkürlich, dies sowohl bewusst wie unbewusst. So kann man sich zum Beispiel bewusst dazu entscheiden, zu laufen. Die einzelnen Schritte erfolgen indes unbewusst.


Das muskuläre Halten und Bewegen übernimmt die Skelettmuskulatur, die - wegen ihrer Struktur bzw. ihrem Erscheinungsbild unter dem Mikroskop - auch als quergestreifte Muskulatur bezeichnet wird. Muskuläre Willkür-Haltung und -Bewegung sind möglich, weil zunächst einmal


  • Die Basalganglien dafür Sorge tragen, dass unsere Muskulatur grundangespannt ist. Diese grundsätzliche Muskelspannung bezeichnet man als Muskeltonus.


  • Der Muskeltonus, der sich aus einem raschen An- und Entspannen der Muskulatur ergibt, hat im Wesentlichen zwei Funktionen: Zum einen Aufrechterhaltung der Körpertemperatur. Zum anderen ist die muskuläre Vorspannung als Voraussetzung für reflexive wie situative bewusste und unbewusste Bewegung.


  • Die Basalganglien sind zudem für das aufeinander Abstimmen von bewegungsrelevanten Aktivitäten in unterschiedlichen Hirnbereichen zuständig. Dabei legen sie fest, welche Bewegungen ausgeführt werden und welchen nicht.


  • Das Pallidum, als ein Bestandteil der Basalganglien, sendet dabei über seinen äußere Spitze aktivierende, mehr jedoch über seinen inneren Bereich hemmende elektrische Signale.


Über Motorneuronen, multipolare Nervenzellen im Rückenmark, werden sodann die elektrischen Impulse vom zentralen an das periphere Nervensystem weitergegeben, von wo aus Muskelzellen sodann aktiviert und in der Folge Bewegung (oder Haltung) initiiert. Dieser Mechanismus erfolgt


  • einerseits von den Basalganglien absteigend (efferent pyramidal) über die zentralen Nerven in die Muskeln (Motorische System) und


  • anderseits von den peripheren Nerven aufsteigend (afferent extrapyramidal) über die Muskeln in die Basalganglien (Sensomotorische System) gesendet.


  • Sämtliche auf- und absteigenden Signale (mit Ausnahme von Reflexen) treffen unentwegt im extra-pyramidalmotorischen System - also den Basalganglien, unserem "motorischen Zentralrechner", zusammen, wo sie aufeinander abgestimmt und priorisiert werden, damit kein "Bewegungschaos" entsteht.


Ja, ganz schön kompliziert, ich weiß. Doch wir Menschen sind eben kompliziert (gebaut und verdrahtet), mitunter im wahrsten Wortsinn ...

Dystonie und natürlich und widernatürlich Bewegung(en)



Bewegung will, mit Bezug zur Schwerkraft,

in Raum und Zeit gelernt sein.


Bewegung ist etwas Natürliches. Der Mensch bewegt sich fortwährend; aktiv, z.B. wenn er läuft, oder passiv, etwa wenn er sitzt. Haltung - also Stehen, Sitzen und Liegen oder gar den Kopf aufrecht zu halten - ist gleichsam Bewegung, zumindest aus muskulärer Sicht.


Die Bewegung eines Menschen ist das Ergebnis unzähliger physiologischer Bewegungsabläufe. Der Einfachheit halber seien sie als "natürliche Bewegungsabläufe" bezeichnet.


Bewegung will allerdings mit Bezug zur Schwerkraft, in Raum und Zeit, gelernt sein. Oder: Ein Säugling, der das Licht der Welt erblickt, bewegt sich zwar, doch seine Bewegung hat noch nichts mit gezielter Bewegung zu tun. Im Gegenteil. Säuglinge sind hyperkinetisch, also unkoordiniert (über)beweglich.

Über Wochen und Monate richtet sich der kleine Mensch sodann motorisch ein, in dem er seine Muskelaktivitäten gezielt zu entwickeln beginnt.

Ein klarer Fall von "MI", also menschlicher bzw. menschlich-motorischer Intelligenz.


Neben den natürlichen bzw. funktionalen Bewegungsabläufen gibt es auch jene, die als widernatürlich bzw. dysfunktional zu bezeichnen sind; aphysiologische bzw. unphysiologische Bewegungsabläufe sozusagen.


Widernatürliche Bewegungen können absichtlich, also willkürlich herbeigeführt werden, etwa wenn jemand humpelt, obgleich es dafür keinen physiologischen oder anderen Grund gibt.


Hinzu kommen unabsichtliche widernatürliche und demgemäß unwillkürliche Bewegungen. Diese können entweder einer vorübergehenden oder dauerhaften körperlichen Beeinträchtigung eines Menschen entspringen.


Nebenwirkungen von Medikamenten, der Konsum von Alkohol oder Drogen oder die Unterzuckerung eines Menschen können zu widernatürlichen, also aphysiologischen Bewegungsabläufen führen. Schwanken und Torkeln sind gängige Folgen.


Dauerhafte körperliche Beeinträchtigungen - bestimmte Fehlbildungen, Folgen einer Verletzung oder Erkrankung - vermögen selbiges zu bewirken.

Dystonie als Dyskinesie


Dyskinesie führt zur mangelnder Bewegungsharmonie!


Der Begriff Dyskinesie steht für eine Störung natürlicher Bewegungsabläufe. Der Begriff wird primär in der Neurologie, aber auch in anderen medizinischen Disziplinen verwendet.


In der Neurologie steht "Dyskinesie" für sämtliche Bewegungsauffälligkeiten, sowohl hyper- als auch hypokinetische Erscheinungen. Erstere gehen mit einem Zuviel und Zweitere mit einem Zuwenig an Bewegung einher.


Überdies wird zwischen spontanen und chronischen Dyskinesien unterschieden. Erstere sind die Folge einer vorübergehenden Irritation des Nervensystems, etwa aufgrund von Neben- oder Wechselwirkungen von Medikamenten. Zweitere sind auf Fehlbildungen, Verletzungen und Erkrankungen zurückzuführen. Sowohl als auch erfolgen unwillkürlich und sind im Regelfall nicht unterdrückbar.


Schließlich lässt sich, je nach dem Zeitpunkt des Auftretens einer Bewegungsstörung, zwischen Früh- und Spätdyskinesien unterscheiden. Letztere werden häufig auch als tardive Dyskinesien bezeichnet, sogenannte Bewegungsstörungen, die sich in fortgeschrittenem Alter langsam, aber unaufhörlich - etwa in Folge der Einnahme von Psychopharmaka - entwickeln können.

Dystonie als Hyperkinesie


In Bewegung, auch wenn

man sich nicht bewegen will!


Dystonie ist höchstüberwiegend eine hirnorganisch- "hyperkinetische Bewegungsstörung". Sie geht vom Grunde her mit einem Zuviel an Bewegung einher, die unwillentlich erfolgt und nicht "mal eben so" unterdrückt werden kann.


Kurzum: Dystoniebetroffene zittern, zucken und/oder krampfen wider Willen, was wiederum zu wiederholend schraubenden bzw. verdrehenden Bewegungen, bizarren Fehlhaltungen oder grotesken Fehlstellungen führen kann (siehe Videoclip links).


Dystonie kann für Betroffene zudem schmerzhaft sein, ist regelmäßig überaus ermüdend und nicht zuletzt häufig auch beschämend. Betroffene werden nicht nur angeschaut, häufig gar begafft.


Dystonie bewegt.

So oder so - wider Willen!

Dystonie als dyskinetische Syndrome


Wenn Muskeln

"aberwitzig agiere"


Widernatürliche bzw. unphysiologische Bewegungsabläufe können sich unter anderem in folgenden Symptomen wiederspiegeln:


  • Tic (abrupte/heftige Bewegungen)
  • Tremor (Zittern; in Ruhe oder Aktion)
  • Myklonus (Zucken; ohne/mit Bewegung)
  • Bradikinese (Verlangsamung der Bewegung)
  • Rigor (Muskelsteifheit/ggf. -starre)
  • Akinese (Bewegungsarmut/-ggf. -unfähigkeit)


Hinzu kommen:


  • Athetose wiederholt, langsam ausfahrende regelmäßige Bewegungen (Achtung Altbegriff!)


  • Chorea plötzliche, rasche, unregelmäßige Bewegungen


  • Dystonie regelmäßig wiederholende (ver)drehende Bewegungen


Dystonie kann somit ein Symptom, aber auch Syndrom oder gar eine eigenständige

Erkrankung sein.

Bei  "Dystonie" handelt es sich um einen zusammengesetzten Begriffe aus der altgriechischen Vorsilbe δύς- dys- „schlecht“, „falsch“; sowie dem gleichsam altgriechischen Nomen τόνος tonos, was für „Spannung“ steht.

Dystonie bedeutet folglich nichts anderes als "Fehlspannung".

Dystonie nicht in Wort und Bild, sondern Film ...

Unterschied Spastik und Dystonie

Dystonie oder Spastik

  • Bei Dystonie und Spastik handelt es sich um eine Verkrampfung der Bewegungsmuskulatur, deren Ursprung im Zentralen Nervensystem (ZNV) liegt.


  • Dystonie
  • Steuerungsbezogene Fehlfunktion des ZNV
  • genau genommen des Gehirns
  • unter maßgeblicher Beteiligung der Basalganglien
  • sowie des Motorkortex aufgrund einer
  • (mono)genetischen oder multifaktoriellen Veranlagung


  • Spastik
  • Nachhaltige Schädigung des ZNV
  • Gehirn und/oder Rückenmark
  • durch Fehlbildung oder Zerstörung
  • Quetschung, Blutung oder
  • Tumor, Zyste, Entzündung etc.


  • Mitunter ähneln sich Dystonie und Spastik, weshalb diese Zustände fehlangespannter Muskulatur häufig verwechselt werden bzw. die Dystonie mit der Spastik über einen Kamm geschoren wird.


  • Dystonie und Spastik sind schlussendlich "nur" Symptome eines warum auch immer fehlfunktionierenden Zentralen Nervensystems. Ihre Ursachen sind indes grundverschieden, was insbesondere therapeutisch von Bedeutung ist.


  • Schließlich kommt es in Einzelfällen vor, dass jemand sowohl von Dystonie als Spastik betroffen sein kann, z.B. dann, wenn eine Erkrankung sowohl bestimmte Areale des Hirnkerns oder des Motorkortex als auch Nervenbahnen geschädigt hat. Geschulte Neurologinnen vermögen geübt zu differenzieren und sodann gezielt zu therapieren.
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