Formen

Dystonie Formen (Topografie)

Dystone Verteilungsmuster


Eine Dystonie bzw. dystone Symptome können unterschiedliche Körperteile, Körperpartien oder den gesamten Körper betreffen. DIE Dystonie bzw. EINE dystone Bewegungsstörung gibt es demgemäß nicht. Vielmehr kennt die Medizin, genauer genommen die Neurologie, unterschiedlichen Ausformungen bzw. Erscheinungsformen.

Verteilungsmuster

bezogen auf Körperpartien


  • Fokale Dystonie eine Körperregion
  • Multifokale Dystonie nicht benachbarte Körperregionen)
  • Segmentale Dystonie benachbarte Körperregionen)
  • Hemidystonie Körperhafte links/rechts bzw. oben/unten)
  • Generalisierte Dystonie (Rumpf, Bein(e) + x)


Näheres zu den  Körperpartien betreffende Dystonien bzw. dystone Bewegungsstörungen findest Du, wenn Du hier ein wenig  herunterscrollst.

Was die Erscheinungsformen einer Dystonie anbelangt, so kann man sie mit Bezug zu den betroffenen Körperpartien im Allgemeinen oder im Hinblick auf den betroffenen Körperbereichen im Besonderen untergliedern. Letzteren ist präziser, da die Dystonie eine Verortung erfährt.

Verteilungsmuster

auf bestimmte Körperbereiche


  • Zervikale Dystonie (Hals)
  • Oromandibuläre Dystonie (Unterkiefer/Mund)
  • Orofasciale Dystonie (Oberkiefer/Gesicht)
  • Laryngale Dystonie (Kehlkopf)
  • Gliederdystonie (Arme/Beine)
  • Axiale Dystonie (Rumpf)


Näheres zu den einzelnen bestimmte Körperbereiche betreffende Dystonien bzw. dystone Bewegungsstörungen findest Du in den entsprechenden Unterkapitel dieses Kapitels.

Fokale Dystonien

Charakteristika fokaler Dystonien


Was fokale Dystonien anbelangt, so ist eine vom Grunde her genetische Veranlagung wahrscheinlich, die in Folge bestimmter körperlicher Stressoren dystone Symptome auszulösen vermag. Zu diesen zählen u.a. Trauma, in Form von Verletzungen aller Art sowie einseitige und fortgesetzte Dauerbeanspruchung.


Die genaue Bezeichnung einer fokaler Dystonien ergibt sich entweder aus der betroffenen Körperregion oder der Tätigkeit, bei der diese zuvorderst auftritt. So spricht man z.B. von einer "Handdystonie" oder einem "Schreibkrampf", wenn dystone Symptome etwa eine Hand betreffen.


Kennzeichnend für eine fokale Dystonie ist, dass das Schaltzentrum für Bewegung unseres Gehirns, also die Basalganglien, grundsätzlich unbeteiligt sind. Die Fehlfunktion ist vielmehr im aufsteigenden bzw. extrapyramidalen System nebst Motorkortex verortet, weshalb wiederum eine Tiefe Hirnstimulation, die in den Basalganglien eingebracht wird, bei fokalen Dystonien wirksam ist.


Wie bei allen dystonen Bewegungsstörungen, so wird auch bei fokalen Dystonien zwischen Dystonien mit Tätigkeitsbezug – also sogenannte aktionsinduzierte Dystonien – und jenen, die in Ruhe auftreten, unterschieden.

Fokale aufgabenspezische Dystonie


Bei aufgabenspezifischen Dystonien handelt es sich um hyperkinetische Bewegungsstörungen, die stets zu Tage treten, wenn eine Person einer bestimmten Tätigkeit nachgeht, etwa dann, wenn sie schreibt, ein bestimmtes Instrument spielt oder einen bestimmten Sport ausübt. So gibt es etwa den "Schreibkrampf", die "Embouche-Dystonie" (dystone Bewegungsstörung der Lippen beim Ansetzen eines Blasinstruments) oder die "Golfer-Jipp", jene unwillkürliche Handbewegung, die beim Putten, also dem Einlochen bei Betroffenen auftritt.


Bei aufgabenspezifischen Dystonien handelt es sich regelmäßig um eine multifaktorielle Bewegungsstörung, bei der – so die aktuelle Hypothese zur Pathophysiologie – zu einer genetischen Veranlagung feinmotorische Triggerfaktoren mit Bezug zu einer bestimmten Aufgabe hinzutreten. Aufgrund der genetischen Veranlagung sind fokale aufgabenbezogene Dystonien nicht heilbar. Sie können in Einzelfällen jedoch "umschifft" bzw. unterdrückt werden. So es möglich ist, die dystonieauslösende feinmotorische Bewegung (oder Bewegungen) therapeutisch begleitet neu zu erlernen bzw. alternativ anzubahnen.


Diese "bedingte Heilbarkeit" gilt jedoch grundsätzlich nicht für Personen, welche der Dystonie auslösenden Tätigkeit tagtäglich nachkommen (müssen), etwa Berufsmusiker:innen oder Profisportler:innen. Zum einen kann die Therapie Jahre dauern, was mit der Ausübung ihres Beruf grundsätzlich nicht vereinbar ist. Zum anderen verfallen sie vielfach gewohnheitsgemäß und ungewollt wieder in ihre vormaligen Bewegungsmuster. Nicht zuletzt kann nicht ausgeschlossen werden, das ihr Gehirn aufgrund der genetischen Veranlagung derart "dystoniehungrig" ist, dass es nach einiger Zeit auch mit den neu erworbenen Bewegungsmustern wieder eine Dystonie entstehen lässt.

Fokale traumaspezifische Dystonie


Verletzungen an Gliedmaßen können eine fokale Dystonie auslösen. Entscheidend ist dabei nicht die Schwere des physischen Traumas, vielmehr ausschlaggebend ist die Beteiligung eines oder mehrerer peripherer Nerven, durch Quetschung, Überdehnung, An- oder Abriss.


Fokale traumspezifische dystone Bewegungsstörungen äußern sich zunächst durch Zittern und Zucken, gehen später in Krampfgeschehen über und können in Fehlhaltungen und Fehlstellungen münden.

"Traumadystonien" gehen im Regelfall überdies mit neuropathischen Schmerzen einher.


Einige Betroffen entwickeln mitunter zusätzlich ein Komplexes Regionales Schmerzsyndrom (Morbus Sudeck), dass dystone Symptome im wahrsten Wortsinn befeuert. Im schlimmsten Fall breiten diese sich gar über die Wirkmechnismen des Morbus Sudeck auf weitere Körperteile aus. Betroffene Areale verfärben sich rötlich, mitunter bläulich, schwellen zunächst an und vermögen sich später zu verschmächtigen.


Zervikale Dystonie: Fokal oder segmental

Bei der Zervikalen Dystonie – Dystonie des Halses – handelt es sich um jene Dystonie, die, hinsichtlich der Betroffenheit eines Körperteils bzw. Körpersegments, mit großem Abstand, am häufigsten vorkommt (vgl. u.a. Reichel, Gerhard: Zervikale Dystonien. In "Der Neurologe und Psychiater". DNP 2016).


Eine Ausführliche Beschreibung der zervikalen Bewegungsstörungen findest hiesig in einem gesonderten Unterregister.

Zu den zervikalen Bewegungsstörungen

Multifokale Dystonie

Überdies gibt es einige Menschen, die als geborene Linkshänder:innen zum Schreiben mit der rechten Hand gesungen und entsprechend umerzogen wurden. In seltenen Fällen entwickeln diese, zunächst in der rechten und später mitunter auch parallel dazu in der linken Hand, einen Schreibkrampf mit assoziierter dystoner Mitbewegung in der nicht-schreibenden Hand.

Hier und dort,

jedoch nicht an einem Ort


Eine multifokale Dystonie betrifft zwei oder mehrere nicht benachbarte Körperregionen, z. B. Gesicht und Arm oder Fuß und Hand.


Multifokale Dystonien sind eher selten. Auch bei diesen ist anzunehmen, dass sie durch Triggermechanismen gepaart mit einer genetischen Veranlagung ausgelöst werden. Multifokale Dystonien sind, wir fokale Dystonien, primär sensomotorischer gebahnt und grundsätzlich nicht heilbar.


Multifokale Dystonien kommen etwa bei Menschen vor, die regelmäßig (und übend) zeitgleich mit unterschiedlichen Extremitäten eine Aufgabe ausführen bzw. einer Tätigkeit nachkommen.


So gibt es etwa Schlagwerker*innen oder Orgelspieler*innen, die eine Dystonie in einer Hand und einem Fuß entwickeln. Selbiges gilt für Sportler*innen, etwa Golfer*innen, deren Hand und Hüfte (Rumpf) oder (Bogen)Schütz*innen der Hand und Gesicht, zumeist Augenlider, betroffen sein können.

Segmentale Dystonien

Segmentale dystone Bewegungsstörungen betreffen zwei oder mehrere benachbarte Körperregionen, z. B. Gesicht und Hals, Augen und Mund, Hals und Mund, Schulter, Hals und Augen usw. Das "Meige Syndrom" oder die "Oromandibuläre Dystonie" zählen dazu.


Segmentale Dystonien kommen wesentlich häufiger vor als multifokale Dystonien. Dies und die Art ihrer Entstehung legen die Vermutung nahe, dass sie primär motorisch gebahnt werden und die Folge einer komplexgenetischen Veranlagung sind.

Axiale Dystonie

Eine axiale dystone Bewegungsstörung ist durch eine Beugebewegung oder -haltung des Rumpfes nach vorne, nach hinten oder zur Seite gekennzeichnet. Je nach Ausprägung sind Rumpf- und/oder Rückenmuskulatur beteiligt.


Axiale Dystonien treten zumeist im fortgeschrittenen Alter auf. Sodann ist an ein Dystonie-Plus-Syndrom oder eine neurodegenerative Erkrankung, etwa Morbus Parkinson, zu denken.

Hemidystonie

Bei einer Hemidystonie ist entweder die linke oder rechte Körperhälfte von einer dystonen Bewegungsstörung betroffen. Eine Hirnfehlbildung, ein Schlaganfall oder auch Zysten und Tumore im Gehirn vermögen entsprechende Dystonien zu zeitigen. Hinzu kommen besondere Erkrankungen, etwa die Alternierende Hemiplegie (AHP), die entsprechende dystone Auffälligkeiten bewirken können.

Generalisierte Dystonie

Bei einer Generalisierten Dystonie sind wenigstens der Rumpf, wenigstens ein Bein sowie eine weitere Körperpartie von dystonen Symptomen betroffen.


Bei Generalisierte Dystonien handelt es sich überwiegend um primäre Dystonien, die mono- oder komplexgenetischen Ursprung sein können. Letztere werden auch - weil die mutierten Genorte mitunter (noch) nicht festgestellt werden können - als idiopathische Dystonien, also Dystonien unbekannten Ursprungs bezeichnet.


Bei einigen wenigen Generalisierten Dystonien handelt es sich um sekundäre Dystonie. Zu diesen zählen insbesondere jene infolge von Stoffwechselstörungen, die unter anderem den Hirnkern oder andere Hirnstrukturen betreffen, z.B. bestimmte Dopaminmangeldystonien (SEGAWA-Syndrom), das Glukose-Transporter-Defizit- oder Ehlers-Danlos-Syndrom. Hinzu kommen Dystonien infolge neurodegenerativer Erkrankungen, z.B. NBIA (Eisenansammlung im Hirnkern).

Bei der Generalisierten Dystonie handelt es sich um die schwerste Form der dystonen Bewegungsstörung. Dies liegt zum einen darin begründet, dass die Rumpfbetroffenheit komfortables und stabiles Sitzen und erholsames Liegen erschwert und mitunter gar unmöglich macht. Zum anderen führt das Vorgenannte dazu, dass Betroffene größte Probleme mit dem Ein- und Durchschlafen haben, was - unbehandelt - rasch eine chronische Erschöpfung nach sich zieht. Nicht selten ist bei einer Generalisierten Dystonie auch die Mund-, Hals-, Kehlkopf sowie Atemhilfsmuskulatur betroffen, was Essen und Trinken (Schlucken), Sprechen und Atmen erschwert oder mitunter gleichsam unmöglich machen kann. Betroffene einer Generalisierten Dystonie sind zu meist außergewöhnlich gehbehindert, wenn nicht gar rollatoren- oder rollstuhlpflichtig und bedürfen bei der Verrichtung alltäglicher Dinge - wie Waschen, Anziehen, Zubereiten von Essen, der Nahrungsaufnahme selbst - dauerhaft Unterstützung durch Dritte.

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