Körper

Körper und Körperlichkeit

Dystonie und Andersartigkeit

Anders wider Willen!

"anders, anderer, am anderersten"


Dystonie bedeutet für viele anders auszusehen, sich anders zu bewegen, anders angeschaut und anders beurteilt zu werden.


Dystonie ist, im wahrsten Wortsinn, eine neurologische Bewegungsstörung der „anderen Art“, mit ihr zu leben - vor allem körperlich - mitunter eine Kunst (engl. art).


Dystonie führt außerdem dazu, dass sich Betroffene anders fühlen, sich mitunter anders verhalten, als jene, die keine sichtbare Beeinträchtigung bewegt.

Dystonie führt zu einer „anderen Art“, den eigenen Körper zu betrachten.


Die Folgen sind vielfältig. Betroffene leben andersartig, mitunter ein andersartiges Leben, auch oder insbesondere im Hinblick auf ihren Körper.

 Mensch ist nicht gleich Mensch


Der menschliche Körper ist, im biologischen Sinne, unsere materielle Gestalt, mit der wir uns von unserer Umgebung absetzen.


Körperliche Makellosigkeit und Unversehrtheit sind zweifelsohne wünschenswert. Doch weder das Eine, noch das Andere trifft auf die Mehrheit der Menschheit zu, oder anders formuliert:


Wir Menschen sind gleich

und doch so verschieden.


Die Morphologie des menschlichen Körpers widmet sich unserer Form und  Struktur bzw. dem Aussehen.


Die Physiologie befasst sich mit physikalischen und biochemischen Vorgänge in den Zellen, im Geweben und den Organen.


Die Dysmorphie beschäftigt sich mit körperlichen Andersartigkeiten, ohne das diese zwingend gesundheitlich beeinträchtigend sind.


Bei einer Anomalie handelt es sich um eine vom Durchschnitt des Menschen abweichende Unregelmäßigkeit.

Dystonie und Körper

Bohrende Blicke sind wie Messerstiche.

Irgendwann verblutet die Seele.

Lensch (6/2022)

"Was guckst Du?"


Dystonie bzw. dystone Symptome zeitigen über Kurz oder Lang sichtbare und unsichtbare körperliche Spuren. Fortwährende muskuläre Fehlspannungen führen zunächst zu Fehlhalten, später gar zu Fehlstellungen. Atypische und mitunter bizarre Fehlbewegungen ergänzen den Blumenstrauß körperlicher Auffälligkeiten.


Die Mehrheit der Dystoniebetroffenen sieht sich in der Folge anders, als jene, die nicht von Dystonie betroffen sind. Dystoniebetroffene fallen auf, weil ihre "atypischen Bewegungen", ihre Fehlhaltungen und auch Fehlstellungen die Blicke Dritter auf sich ziehen. Anders ist abweichend. Anders könnte, das hat uns die Evolution über Jahrmillionen gelehrt, Gefahr bedeuten, weshalb auch deshalb

hingeschaut wird.


Dystoniebetroffene scheuen, ja verabscheuen diese Blicke, vor allem dann, wenn sie haften bleiben. Niemand mag es, für eine unbeabsichtigte Andersartigkeit angestarrt zur werden.

Ich kenne zumindest niemanden.


Entwickeln sich normale Blicke vom Starren zum Glotzen, ist das für die Betroffenen nur noch zum Kotzen ...

Akzeptanz des Körpers oder:

Dystonie und doppelte Körperdysmorphie


Den eigenen Körper so zu akzeptieren, wie er ist, dass fällt den meisten Menschen – gleich ob weiblich, männlich oder non-binär – auch ohne eine (sichtbare) Beeinträchtigung schwer. Die Eine fühlt sich zu mollig. Den Anderen ärgert, dass er zu klein ist. Es stört, wenn die Brüste zu groß oder zu klein sind. „Nobody is perfect!“. Das ist mithin leichter gesagt, als akzeptiert. Der Eine scheut die Badehose am Strand. Die Andere das enge geschnittene Kleid am Abend. Viele meiden den Blick in den Spiegel oder eine Kamera. Maßgeblich dafür sind unsere Erziehung, Spielzeuge, Geschlechterrollen und -bilder, Blicke und Bemerkungen sowie die Medien. So formt sich unser Körper- und mit ihm unser Selbstbild bewusst wie unbewusst aus dem, was wir sehen, gesagt bekommen und hören, im Abgleich mit dem, wie wir sind oder meinen zu sein.


Die Folgen sind häufig Scham, Scheu, Versuche der Anpassung. Schlimmstenfalls werden psychische Auffälligkeiten unterschiedlichster Art entwickelt. Von Kommunikations- über Ess- oder Angststörungen, bis hin zu sogenannten Körperdysmorphien. Bei einer Körperdysmorphie handelt es sich um jene psychische Störung, die dann entstehen kann, wenn dass sich jemand übermäßig auf seine bzw. ihre angenommenen oder tatsächlichen körperlichen Unzulänglichkeiten konzentriert, was wiederum einen Leidensdruck verursacht, der die Lebensqualität schmälert.


Kommt zu der einen oder anderen als unzureichend empfunden körperlichen Unzulänglichkeit eine dystone Bewegungsstörung hinzu, verzweifeln die meisten Betroffenen im Nu. Bei Dystonie besteht die Gefahr einer „doppelten Körperdysmorphie“. Betroffene, die zittern, zucken oder krampfen, fühlen sich nicht nur regelmäßig beobachtet, werden dies mitunter auch. Dies wiederum verunsichert, was dystone Symptome zu verstärken vermag. Bizarre Bewegungen und groteske Körperhaltungen sowie Fehlstellungen verschlimmern erfahrungsgemäß die Situation.


Nicht selten fühlen sich Dystoniebetroffene von ihrem Körper „geärgert“ oder „gekränkt“, in Einzelfällen gar im Stich gelassen. Dies kann zu Trauer, Wut oder Hass führen, den Betroffene in erster Linie zunächst gegen sich selbst richten. Sie beginnen auf Hobbys zu verzichten, ziehen sich aus dem Arbeitsleben zurück, brechen Freundschaften ab und beginnen vielfach ihren Körper zu vernachlässigen. So wird zum Beispiel übergroße kaschierende Kleidung getragen oder Frisörbesuche werden auf ein Minimum beschränkt. Hinzu kommt, dass Vorsorgeuntersuchungen aufgeschoben oder gar nicht mehr wahrgenommen werden.


Schließlich wird die Verzweiflung regelmäßig auch in die eigene Familie getragen. Häufige Streitereien und Konflikte beginnen den Alltag zu prägen. Trennung und Scheidung sind nicht selten die Folge. Depressionen sind unter Dystoniebetroffenen durchaus weit verbreitet. Suizid, vor allem bei Schwerstbetroffenen, eine nicht zu unterschätzende Folge.


Dystonie ist eine Diebin. Sie vermag einem vieles stehlen. Die Akzeptanz des Körpers. Zutrauen in Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie lässt das Selbstbilder aus dem vertrauten Rahmen fallen; mindert den Selbstwert. Was tun, wenn guter Rat teuer ist? Bewusste Blicke in den Spiegel, regelmäßige Außenkontakte, vertrauensvolle Gespräche mit Familie und Freund:innen und auch „Fotoshootings“ können helfen, sich die Akzeptanz des von Dystonie betroffenen Körpers aktiv zurück zu erobern. Selbsthilfe, kann gleichsam helfen. Reicht dies nicht aus, empfiehlt sich eine psychotherapeutische Erkrankungsbegleitung; denn am Ende ist es unser Geist, der unseren Körper akzeptiert!

Dystonie und Körperselbst-

sowie -fremdbild

Der gesunde Geist eines dystonen Körpers

vermag mit den Veränderungen des Letzteren

nicht immer Schritt zu halten.

Wenn Körper und Geist

uneins sind


Das Körperselbstbild beschreibt das Verhältnis eines Menschen zum eigenen Aussehen; mitunter auch zu den eigens wahrgenommen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das Körperfremdbild steht für eben diese Wahrnehmungen durch Dritte.


Körperselbst- und -fremdbild stimmen mitunter nicht überein, völlig unbenommen einer Erkrankung oder körperlichen Beeinträchtigung. Dies liegt darin begründet, dass das Körperselbstbild die Summe vieler "Einzelteile" bzw. einzelner Eindrücke ist, etwa die Vorstellung vom eigenen Körper.


Das Körperselbstbild ist damit Teil des "förmlichen Körperwissens" (Größe, Gewicht, Augenfarbe etc.), und des "Körpererlebens" (Bewegung, Haltung, Beweglichkeit, Schnelligkeit etc.) sowie der "Körpervorstellungen", also der Phantasien, GedankenEinstellungenBewertungen. Das Körperfremdbild ist, im Vergleich, weniger facettenreich. Soziokultureller Hintergrund, Anblick und Stimmung sind zuvorderst maßgebend.


Chronisch Kranke, deren Erkrankung sich unter anderem auf die Erscheinung und Funktion ihres Körpers auswirkt, so wie bei Dystonie, erleben einen fortwährenden einen Wandel ihres Körper(selbst)bildes. Dieser erfordert, vor allem wenn es sich um eine fortschreitende Dystonie handelt, einen unablässigen mentalen Anpassungsprozess. Dieser kann mitunter genauso fordernd sein, wie körperliche Anpassungsbedarfe. Ein Phänomen, dass sowohl von Betroffenen als auch Angehörigen sowie Ärztinnen und Ärzten regelmäßig unterschätzt wird.

Dystonie und "Body Image"

Bilder sagen mehr als 1.000 Worte, gleich, ob sie an der Wand hängen, in einer digitalen Datei gespeichert oder im eigenen Kopf sind.

Schönheit liegt im Auge des Betrachtenden. Betrachte Dich von ab und an bewusst im Spiegel. Lächele. Zwinkere Dir zu. Und dann ab, hinaus ins Leben!

Körperwahrnehmung

und Körperbewusstsein


Dystonie ist eine neurologische Bewegungsstörung. Betroffene bewegen sich unwillkürlich und mitunter anders, als sie sich bewegen wollen. Diese Andersartigkeit ist nicht nur körperlich anstrengend. Vielmehr kann sie auch seelisch belastend sein.


Jeder Mensch hat ein eigenes Bild von seinem eigenen sich bewegenden Körper, ein sogenanntes „Body Image“, im Kopf. So steht der Begriff „Body Image“ für die Körperwahrnehmung und das Körperbewusstsein einer Person, mit Bezug zu Bewegungsfähigkeiten, Bewegungsfertigkeiten und Bewegungsmöglichkeiten bzw. dem Aussehen von Bewegung. Ein „Body Image“ ergibt sich im Wesentlichen aus dem Erleben der eigenen Bewegung, aus der Betrachtung von Bildern und Filmen eigener Bewegung sowie dem Abgleich eigener Bewegung mit der Bewegung Dritter.


Auswirkungen

Dystonie wirkt sich regelmäßig auch nachteilig auf das „Body Image“ Betroffener aus. Grundsätzlich gilt: Je stärker jemand von sichtbaren dystonen Symptomen betroffen ist, desto nachhaltiger. Besonders prägend sind diesbezüglich ein für Dritte sichtbares Zittern, Zucken und/oder Krampfen und damit einhergehende unwillkürliche schraubende Bewegungen und bizarre Fehlhaltungen.


Ein dystoniebedingt negativ verschobenes „Body Image“ schadet Betroffenem mitunter gar doppelt. Zum einen schmälert es häufig den Selbstwert und begünstigt sozialen Rückzug. Hierfür besonders anfällig sind Dystoniebetroffene, die bereits vor ihrer Erkrankung, aus welchen Gründen auch immer, ein geringes Selbstwertgefühl gehabt haben oder, warum auch immer, auffällig menschenscheu gewesen sind. Auch betroffen sind jene, die – erzogenermaßen bzw. gewohnheitsgemäß – einen großen Wert auf ihr Äußeres einschließlich der Ästhetik ihrer Bewegung legen.


Zum anderen kann ein dystoniebedingt negativ verschobenes „Body Image“ therapiehinderlich sein. Dies liegt darin begründet, dass körperliche Verbesserungen – etwa in Folge einer Tiefen Hirnstimulation oder einer Injektion mit Botolinumtoxin in Verbindung z.B. mit Physiotherapie – obgleich für Dritte durchaus bemerkenswert, nicht oder nur unzureichend von Betroffenen als positiv wahrgenommen werden bzw. wahrgenommen werden können. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ihr Gehirn das „perfekte Body Image“, also das, vor Erkrankung, als Maß aller Dinge erachtet und das Nicht-Erreichen dieses Optimalzustandes tatsächliche Therapieerfolge unsichtbar werden lässt.


Was tun?!

Dass Dystonie negativ Einfluss auf das „Body Image“ der Betroffenen nehmen kann ist nicht ungewöhnlich. Gleichsam erklärbar sind ein damit einhergehend sinkender Selbstwert, sozialem Rückzug und Fehlwahrnehmungen von Therapieerfolgen. Sinkendem Selbstwert und sozialem Rückzug sollte, wenn länger als sechs Monate andauernd, unbedingt aktiv, ggf. psychotherapeutisch, begegnet werden. Einer Fehlwahrnehmung von Therapieerfolgen lässt sich mit Bildern von „davor“ und „danach“ ins rechte Licht rücken. So ist die weitmögliche Akzeptanz des eigenen „Body Image“ ein wesentlicher Faktor für seelische Gesundheit. Oder anders formuliert: Nur wer seinen Körper weitgehend akzeptiert, kann sich grundsätzlich wohlfühlen; mit und ohne Dystonie.

Dystonie und Körperscham

Der Mensch ist das einzige Lebewesen das errötet,

wenn er bzw. sie sich schämt. Die Gesichtsröte hat vermutlich die Funktion, dem Gegenüber Scham zu signalisieren und nonverbal, milde zu stimmen.

Bei der Konfrontationstherapie handelt es sich um eine psychotherapeutische Intervention aus dem Bereich der Verhaltenstherapien zur Behandlung ausgeprägter Abneigungen und Ängste.

Das ist mir so peinlich!


Scham bzw. das Schamgefühle gehören bei den Menschen zu den angeborenen Emotionen. Die Bandbreite des Schams geht vom „peinlichen Berührtsein“ bis zum „Im-Boden-Versinken“. In der Folge kann Scham zum Erröten, zum Wegschauen, zum Weggehen aber – in Extremfällen – auch zu einem zeitweiligen und schlimmstenfalls gar dauerhaften sozialen Rückzug führen.


Ein Auslöser für Scham ist das offensichtliche bzw. sichtbare Anderssein, das Andersaussehen, das Sich-Andersbewegen. Der Begriff „anders“ meint hier, abweichend von den sie umgebenden Menschen. Und, ja, Dystoniebetroffene sehen mitunter anders aus und bewegen sich auch anders.


Eine Dystonie, die mit Zittern, Zucken, Krämpfen und/oder unwillkürlichen schraubenden Bewegungen und bizarren Körperhaltungen einhergeht, hat bei den meisten Betroffenen zur Folge, dass diese sich für ihr „Anderssein“ schämen.


Bei dieser Art von Scham handelt es sich um das sogenannte Körperschamgefühl. Wie stark sich jemand schämt, hängt zum einen von seiner/ihrer Veranlagung, Erziehung und vom Selbstwert ab. Zum anderen hängt die empfundene Scham vom Umfeld der Betroffenen ab. Wie reagieren, Familie, Freundinnen und Freunden auf das „Anderssein“?


Scham ist angeboren. Scham ist folglich normal. Führt Scham jedoch zu sozialem Rückzug, ist Vorsicht geboten. Vorsicht, weil sozialer Rückzug nicht nur dem bzw. der Betroffenen selbst, sondern auch deren Angehörige und Freunde schaden kann.


Doch was tun, wenn man sich für seine dystonen Symptome schämt, wenn die Scham dazu führt, dass man sich zurückzieht, einigelt und beginnt Kontakte abzubrechen. Zunächst einmal ist es wichtig, mit Familienangehörigen und/oder Freundinnen und Freunden über die Schamgefühle zu sprechen. 


Konfrontation kann helfen!

Dann ist es sinnvoll, sich gemeinsam mit diesen vertrauten Personen bewusst jenen Situationen auszusetzen, die das Schamgefühl auslösen. Je häufiger man sich der Situation stellt, desto rascher lernt unser Gehirn, und mit ihm wir selbst, mit den schambehafteten Situation umzugehen. Es tritt Gewöhnung ein. Die Scham nimmt ab, bis sie irgendwann verschwindet.


Zählt man zu jenen, die (meinen) den Zug verpasst (zu) haben mit Familie und/oder Freunden über die empfundene Scham zu sprechen, empfiehlt es sich,  eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Gemeinsam ist man stärker und mit seiner Scham nicht einsam! Fehlt auch hierzu der Mut, steht einem das hausärztliche Gespräch offen, worüber, so gewünscht, eine Psychotherapie angebahnt

werden kann.

Dystonie und Ausgrenzung

"Bodyshaming"


Der Begriff Body-Shaming bzw. Bodyshaming beschreibt die Form der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Aussehens. Menschen mit Behinderungen - insbesondere wenn diese deutlich sichtbar sind - betrifft Body-Shaming auf vielfältigste Weise, sowohl in der realen wie digitalen Welt. Dies gilt einerseits insbesondere für Kinder und Jugendiche, andererseits jedoch auch für Erwachsene, die aufgrund ihres unwillkürlichen Zitterns, Zuckens und Krampfens und daraus resultierenden Fehlbewegungen und

-haltungen immer wieder Erfahrungen der Ausgrenzung machen.


Im echten Leben, also der realen Welt, werden Dystoniebetroffene nicht nur angeschaut. Vielmehr werden sie mitunter angestarrt sowie verstohlen oder gar unverhohlen beobachtet, insbesondere dann, wenn sie unwillkürlich schraubende Bewegungen oder bizarre Fehlhaltungen aufweisen. Zudringliche Blicke gehen gelegentlich gar mit Fingerzeigen und Tuscheln einher. Nicht selten wird bei dystonem Zittern einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit "halblaut in Rede gestellt".


Besonders schwerwiegend sind für Dystoniebetroffene, vor allem erkrankte Kinder und Jugendliche, offene Hänseleien, sei es mit Worten oder indem dystone Symptome bzw. Bewegungen immitiert werden. Auch das Ausgrenzen von dystoniebetroffenen Kindern und Jugendlichen, indem sie aufgrund ihrer Andersartigkeit nicht mitspielen oder einer Gruppen angehören "dürfen", ist dem Bodyshaming hinzuzurechnen.


Bei Erwachsenen ergänzen "blöde Bemerkungen" im Alltag deren Erfahrung mit Bodyshaming. Ich persönlich habe bereits mehrfach folgendes zu hören bekommen: "Müssen Sie unbedingt Bahn fahren? Das braucht ja ewig!", oder, "Können Sie nicht dann einkaufen gehen, wenn nicht so viel los ist?".  Ein vom Verkaufspersonal hilfloses oder mitunter auch vorsätzliches Ignoriert-Werden in Bekleidungs- und Schuhgeschäften erlebe ich regelmäßig obendrein.


Die digitale Welt, mit ihren sozialen Medien, hat eine Zunahme des Body-Shamings - nicht nur für Menschen mit Behinderungen - bewirkt. So wird die Anonymität des Netzes häufig genutzt, sich über Menschen mit Behinderungen lustig zu machen, sie zu erniedrigen, zu beleidigen oder ihnen, als "Lästlingen der Gesellschaft", gar den Tod zu wünschen.


Mögliche Ursachen

Die Ursachen des Body-Shamings gegen Menschen mit Behinderung sind vielfältig. Einfältigkeit, Ignoranz, eigner Frust oder - schlimmstenfalls - Extremismus. Gruppendynamische Prozesse wirken regelmäßig befeuernd.


Mögliche Folgen

Die Folgen von Body-Shaming bei den Betroffenen sind vielfältig. Dystoniebetroffene versuchen z.B. ihre Symptome ihre Symptome zu verstecken, in dem symptommildernde Körperhaltungen einnehmen oder besondere Kleidung tragen. Ersteres ist häufig mit Schmerzen verbunden. Zweiteres führt mitunter dazu, dass bewusst Übergrößen getragen werden, in denen etwa dystone Gliedmaßen, vor den Blicken Dritter, versteckt werden können.


Zudem gibt es Dystoniebetroffene, die es vermeiden, andere anzuschauen. Entweder richten sie ihre Blick überwiegend auf den Boden oder schauen an Menschen vorbei. Getreu dem Motto, "Wenn ich nicht schaue, sehe ich auch deren Blicke nicht.". Mündet dieses Verhalten in eine Vermeidungsstrategie, bewirkt es nicht selten, dass das Führen interessanter Gespräche oder das Knüpfen neuer Kontakte erheblich erschwert ist; schlimmer, Dritte gar meinen, dass kein Interesse vor allem an Letzterem bestünde.


Sozialer Rückzug oder gar soziale Isolation sind, für Dystoniebetroffene, weitere Reaktionen auf Body-Shaming. Beides ist nicht nur das Problem der zunehmenden Vereinsamung und Verbitterung für die Betroffenen. Auch die Angehörigen leiden darunter, da ein normales Familien- und Freizeitleben kaum noch möglich ist; Freunde beginnen sich zurückzuziehen, Bekanntschaften lösen sich in Wohlgefallen auf.


Kurzum: Body-Shaming behindert, zusätzlich zur eigentliche Behinderung, da es nachhaltig negativen Einfluss auf die gesellschaftliche Teilhabe der Betroffenen nimmt. Zudem befördert es den Alkohol- und Tablettenmissbrauch bei einem Teil der Dystoniebetroffenen, nämlich jenen, deren dystone Symptome sich auf diese Weise zeitweilig unterdrücken lassen. Depressionen, Angst- und Panikstörungen oder schlimmstenfalls Suizid können weitere Folgen sein.

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